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Reise-Berichte: April 2003 · September 2003 · Juni 2004
 
 

 

Eine Reise nach Georgien

Die Idee, Plan & Erfahrungen

Das Waisenhaus des Klosters St. Panteleimon

Nach und nach

Start: Spendensammlung

Georgien selbst

Herzlicher fremd – es hat sich gelohnt: Für alle!

Fazit: Weitermachen wollen

 

Gaga Gogichaishvili (23) studiert seit 5 Jahren in Deutschland. Wenigstens einmal im Jahr besucht er seine georgische Heimat. Jedesmal nimmt Gaga Geld und Geschenke für Verwandte sowie für Menschen mit, von denen er weiß, dass sie Unterstützung brauchen. So viel jedenfalls, wie er von dem gewiß nicht üppigen, studentischem Bugdet für seine Landsleute abzweigen kann. In diesem Frühjahr jedoch sollte die Hilfe umfangreicher ausfallen.

Die Idee, Plan & Erfahrungen
Die Idee dazu wurde am Küchentisch geboren. Zusammen mit seinen deutschen Freunden Gesine Lohmann und Dr. Wilfried Waurich entstand der Plan, eine Einrichtung in Georgien zu unterstützen, die sich um die Kinder kümmert, die in der Nachwendezeit und in den Jahren des Bürgerkrieges entwurzelt wurden. Wilfried Waurich griff dabei auf Erfahrungen aus seiner Mitarbeit in der Bosnien-Initiative der evangelischen Cyriakusgemeinde in Rödelheim zurück. Jene hilft seit 1996 kontinuierlich in der bosnischen Stadt Tuzla Frauen, die aus ihren Heimatorten vertrieben wurden.

Das Waisenhaus des Klosters St. Panteleimon
Mit Hilfe von Gagas Mutter konnte auch umgehend ein entsprechendes Projekt ausfindig gemacht werden: das Waisenhaus des Klosters St. Panteleimon. Es befindet sich in Bediani, einer halb verlassenen und hinter verwitterten Paßstrassen entlegenen Ortschaft. Dank des Willens zweier engagierter Ordensschwestern zog vor nunmehr acht Jahren in die uralten Klostermauern neues Leben ein. Fast mit bloßen Händen wurde die verfallene, mittelalterliche Kirche aus dem 12. Jahrhundert, Georgiens "goldenem Zeitalter", restauriert. Ein länglich flaches Holzhaus in der Nähe wurde zum Kernstück des wieder erstandenen Klosters ausgebaut.
Nach und nach
wurden weitere leerstehende Häuser angekauft. In diese zogen Waisen-, aber auch verwahrloste und ausgestoßene Kinder ein. Heute ist die Zahl derer, die hier ein neues Zuhause gefunden haben, auf ca. 60 im Alter von 4 bis 20 Jahren angewachsen. Neben Swimeon, einem engagierten Priester der georgisch-orthodoxen Kirche und mehreren Ordensschwestern, werden sie von jungen Leuten, zumeist Studienabsolventen, betreut, die ihre Hilfe unentgeldlich anbieten. Hier haben die Kinder ausreichend zu essen. Niemand muß hungern oder um Nahrung betteln. In der Dorfschule findet regelmäßig Unterricht statt, sogar in Deutsch. Die Kinder werden in der modernisierten Ambulanz medizinisch versorgt. Und genauso wichtig: sie haben den Halt einer festen Gemeinschaft um sich. Eine Situation, um die sie die vielen Flüchtlings- und Straßenkinder in Tiflis und anderswo beneiden würden. Und doch fehlt es noch an fast allem...

Start: Spendensammlung
Davon ausgehend starteten Gaga und seine deutschen Freunde eine umfangreiche Spendensammlung. Als eine der Ersten fand sich Pfarrerin Elke Klee von der Cyriakusgemeinde bereit, das Projekt zu unterstützen.Sie öffnete die Lagerräume der Gemeinde mit gespendeten Textilien und Schuhen, Spielzeug und Plüschtieren. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau stellte ausrangierte, aber noch leistungsfähige Computer zur Verfügung. Eine Filiale von Schlecker gab einen Karton mit Schokoladentafeln. Als Knut Gerber und seine georgische Freundin Maka Abchasava von der Aktion erfuhren, erklärten sie sich spontan bereit, in ihrem Bekanntenkreis Geldspenden in Höhe von insgesamt 200,- Euro zu sammeln und schließlich sogar mitzufahren. Insgesamt konnten 3 PKW Opel Vectra bis zum zulässigen Gesamtgewicht beladen werden.

Die Spendengüter ins Land zu bringen, war trotz der Entfernung von annähernd 4000 km eine vergleichsweise leichte Übung. Die eigentlichen Schwierigkeiten begannen erst in Georgien selbst.

Georgien selbst
Georgien ist in den vergangenen 14 Jahren auf den Stand eines Entwicklungslandes zurückgefallen. Eine wesentliche Ursache dafür ist die überstürzte Unabhängigkeitserklärung von 1989 und die nachfolgenden bürgerkriegsähnlichen Auseindersetzungen. Darin durchaus vergleichbar mit Bosnien. Allerdings blieben in dem "Land des goldenen Fließes" Wiederaufbauhilfen der EU, der UNO oder anderer Institutionen weitgehend aus.
Oder sie versickerten im Sumpf der Korruption, dem mit Abstand entwickeltsten Sektor der Gesellschaft. Auch unser kleiner Spendenkonvoi mußte den überall präsenten „Ordnungshütern“ immer wieder phantasievolle Gebühren entrichten. Ob deren geschäftiges Treiben allerdings dem Landeshaushalt zu gute kommt, muß stark angezweifelt werden.

In den ehemaligen Kombinaten, Kolchosen, oder auf den Großbaustellen dagegen sieht es heute noch so aus, als wenn nach den sowjetischen Spezialisten, die nach dem Austritt des Landes aus der GUS das Land fluchtartig verließen, niemand mehr diese „Errungenschaften des Sozialismus“ auch nur betreten wollte. Erst seitdem die USA die strategische Lage Georgiens neu bewerteten, boombt zumindest die Ölindustrie.

Herzlicher fremd – es hat sich gelohnt: Für alle!
So brauchten wir denn auf den mit Schlaglöchern übersäten Asphaltpisten und Schotterwegen für die 80 km nach Bediani etwas über 4 Stunden. Umso herzlicher fiel danach die Begrüßung der weitgereisten Gäste aus. Als wir erlebten, wie die Jungen spontan mit den mitgebrachten Fußbällen rumbolzten, wie Sophie (11) sich freute, erstmalig ihre erworbenen Deutschkenntnisse in der Praxis zu erproben, spürten wir: der vergleichsweise doch hohe Aufwand hat sich gelohnt. Für alle! Nach dem Ausladen der Spendengüter hielt der junge, engagierte Priester Swimeon für uns eine Messe. Das Ensemble, geleitet von Gagas Mutter, interpretierte georgische Tänze. Entsprechend den vorösterlichen Fastenregeln wurde festlich getafelt. Wichtig waren auch die Gespräche, aus denen sich ein Bild über die Situation in Georgien im Allgemeinen, in Bediani im Besonderen rundete. Zwar war eine Verständigung –mal recht, mal schlecht – nur in Russisch möglich. Eine Fremdsprache für beide Seiten! Doch konnte in kritischen Situationen, in denen weder Arme noch Beine weiterhalfen, immer noch Gaga klären.

Fazit: Weitermachen wollen
Was bleibt nach 4 Wochen Georgien als Fazit aus diesem ganzen Kontinent neuer Erlebnisse und Eindrücke? Zunächst einmal die Begegnung mit einem faszinierenden Land und seinen warmherzigen Menschen. Aber auch das Erfahren einer Unmenge von gewaltigen, schier unlösbaren Problemen, denen diese Menschen ausgesetzt sind. Und wir sahen den Optimismus, den sich die Menschen trotz alledem bewahrt haben. Häufig gelang es uns weiterzuhelfen. Manchmal bereits mit einfachen Lösungen. Aber auch für die größeren Probleme sind wir zuversichtlich. Das wiederum hilft uns selbst weiter: in unserer Menschlichkeit. Und gibt Mut zum Weitermachen. Dass wir das wollen, wurde uns spätestens beim Abschied von Bediani klar.

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